– oder wie die Essener in den frühen 20er Jahren aus Kohle Kunst machten und ihren Schatz bis heute bewahren
Mit meiner gerade fertig gestellten Monographie „Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang“ habe ich mich seit langem Mal wieder mit den Themen Mäzenatentum und bürgerlichem Engagement im Bereich Bildung und Kultur auseinandergesetzt. Museum, Kunst, Kultur – das sind für viele Leser vielleicht eher langweilig anmutende Selbstverständlichkeiten ohne Brisanz – aber wenn es um die Frage geht, wer das Alles erhalten und finanzieren soll oder in den Anfängen sollte, erhält das Thema sehr aktuelle Bezüge.
„Wo käm´ die schönste Bildung her – und wenn sie nicht vom Bürger wär´.“- Das kennen wir schon von Goethe! Dabei konnte der Gute gar nicht ahnen, wie viele wichtige finanzielle und ideelle Impulse aus dem Bürgertum nicht nur für das Schulwesen sondern auch für die allgemeine Erwachsenenbildung und eben auch die Entstehung unserer Museumslandschaft im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kommen sollten.
Eigentlich war die große Welle bürgerlicher Stiftungen und Vereinsgründungen für den Bau oder den Erhalt neuer Museen schon fast verebbt, als in Essen Anfang der 1920er Jahre unter widrigsten politischen und wirtschaftlichen Umständen die Entscheidung zur Neugründung des Museums Folkwang fiel. Neu-Gründung deshalb, weil es dank Karl Ernst Osthaus von 1902 bis 1921 in Hagen, im östlichen Ruhrgebiet, schon das bezaubernde und weithin Maßstäbe setzende Folkwangmuseum gab, dass sich ganz im Diskurs der Zeit mit dem Menschenbild auseinandersetzte und dazu moderne und modernste Kunst im Dialog mit antiken und außereuropäischen Kunstwerken zeigte. Neugründung auch deshalb, weil es auch in Essen bereits ein Kunstmuseum gab, das durch die Krupp-Jubiläumsstiftung von 1912 recht großzügig ausgestattet worden war.
Leider starb Karl Ernst Osthaus im Frühjahr 1921, ohne sein Museum für die Zukunft finanziell absichern zu können. Seiner Familie hinterließ er den Auftrag, das Folkwangmuseum und die damit verbundene Folkwang-Idee nämlich die Menschen durch Kunst und Schönheit zu bilden, möglichst als Ganzes zu erhalten. Dabei sollte ein Mindestkaufpreis das Erbe der Witwe und ihrer Kinder bilden.
Dieser Preis und vor allem auch eine Garantie für die Erfüllung der von Karl Ernst Osthaus testamentarisch bestimmten Auflagen für den Erhalt seines Museums und seiner Ideen konnte lediglich in Essen aufgebracht und zugesichert werden. In Essen gab es findige Köpfe – allen voran Oberbürgermeister Hans Luther, Landrat Friedrich Schöne (ein Sohn des Berliner Museumsdirektors Richard Schöne) und Bankier Georg Simon Hirschland – finanzstarke Unternehmen, die durch ihre Spenden den Ankauf ermöglichten, und einen durchsetzungsfähigen jungen Museumsdirektor in der Person Ernst Gosebruchs, der Karl Ernst Osthaus sehr gut gekannt hatte und sich den Erhalt des Folkwang wie auch dessen weitere Entwicklung zur Lebensaufgabe machte.
Unter den Unternehmen, die sich am 1. Juni 1922 zum Träger- und Stifterverein für das neue Museum Folkwang zusammenfanden, rangierte ganz vorn das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat, gefolgt von der RWE AG, großen Zechen, Eisenwerken sowie der Goldschmidt AG. Seit 1928 trat die Ruhrgas AG hinzu (diese Mitgliedschaft ging später auf den E.ON-Konzern über). Der Reichtum der Stadt Essen wie auch des Folkwang-Museumsvereins basierte (neben dem Krupp-Stahl) also auf der Kohle und ihren Nebenprodukten. Auf dieser Basis entstand nun das Museum Folkwang, das insbesondere auf Drängen des Kohlensyndikats den Auftrag erhielt, nicht nur für die Stadt Essen sondern nach Möglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet tätig zu sein. Gemeinsame Eigentümer und Träger waren die Stadt Essen und der Folkwang-Museumsverein. Sie schlossen einen Vertrag, der von dem für die großen Unternehmen im Ruhrgebiet tätigen Notar und Syndikus Salomon Heinemann so hieb- und stichfest ausgearbeitet worden war, dass alle nachfolgenden politischen und finanziellen Krisen und Belastungen diese Zusammenarbeit und diesen Zusammenhalt von Stadt und Verein nicht grundlegend stören konnten. Dabei war es für mich interessant zu recherchieren, wie feindselig sich das Nazi-Regime gegenüber dem bürgerlichen Engagement in der Kunst verhielt. Das Museum Folkwang war überdies wohl das von den Plünderungen und Kunstrauben des nationalsozialistischen Regimes in den deutschen Museen 1937 am intensivsten betroffene Institut.
Krupp verzichtete trotz intensiven Werbens des Museumsdirektors vorerst auf eine Mitgliedschaft, erlaubte jedoch zwei zum Unternehmen gehörenden und in Essen gelegenen Steinkohlenzechen dem Museumsverein beizutreten. Nach einer Umstrukturierung im Unternehmen übernahm dann aber 1936 die Fried. Krupp AG selbst die Mitgliedschaft im Folkwang-Museumsverein. Sie bildete nun neben den beiden Trägern eine starke dritte Kraft in der Förderung und Weiterentwicklung des Museum Folkwang, wobei nicht nur Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sondern auch ihre Nachfolger darauf achteten, diese Förderung möglichst eigenen Sonderbereichen, wie der Graphik, der Kunst des 19. Jahrhunderts und vor allem der Fotografie, zu widmen.
Die Rüstungsindustrie des sog. „Dritten Reichs“ verlieh der Wirtschaftskraft der Kohle noch einmal auftrieb. Nach dem großen Bedarf in den Jahren des Wiederaufbaus traf der Niedergang der Zechen die Stadt Essen mit großer Härte. Die Kohle ging – die mit ihrer Hilfe finanzierte Kunst blieb. Seit den sechziger Jahren wurden sowohl die Energie-Unternehmen wie auch Krupp für die Weiterentwicklung des Museum Folkwang immer bedeutsamer. Leider war zu der Zeit der 1953 von der Familie Krupp von Bohlen und Halbach entwickelte ehrgeizige Plan zum Aufbau einer bundesweit bedeutsamen Museumsinsel auf dem Hügel in und um die imposante Villa der Krupps bereits gescheitert.
Essen als bedeutendem Wirtschaftsstandort und ehrgeiziger Ruhr-Metropole hat es lange Zeit gut getan, dass gleich an zwei Orten in der Stadt bedeutende Ausstellungen zu Kunst und Kultur gezeigt wurden: im Museum Folkwang und auf Hügel. Die Zeiten der „Zauberkohle“ sind zwar längst Vergangenheit, aber die großen Konzerne mit ihrer Energie und Strahlkraft sind geblieben.
Das zeigen die mit vielen internationalen Leihgaben bestückten Ausstellungen, das zeigt aber insbesondere der elegante und großzügige Neubau des Museum Folkwang, der auf Initiative von Berthold Beitz von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert wurde.
Das Buch ist mit der ISBN Nr. 978-3-86930-601-8 in der Edition Steidl, Göttingen erschienen.