http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=21747 – unter dieser Adresse findet man meine jüngste Rezension zum Thema “Burgen und Schlösser” (wenn der Link nicht funktioniert einfach “Laufer-Ritterburg” googeln).
Es ist seltsam, wie unkritisch sogar gestandene Mediävisten der seltsamen Vermittlung eines höchst zweifelhaften Ritterbildes gegenüberstehen. Ich habe den Eindruck, dass immer noch ein allgemeiner Konsens darüber besteht, dass Burgenforschung und ganz allgemein die akademische Forschung über das Mittelalter auf den sogenannten “Erlebnisburgen” nichts zu suchen haben. Wir staunen über dunkle Verliese mit klappernden Skeletten, gruseln uns bereitwillig vor Folter- und Marterwerkzeugen, lassen uns Geschichten von Pechnasen und Schießscharten erzählen, sehen Inszenierungen von höchst unkomfortablen, von Ungeziefer und Ratten wimmelnden “Wohn”-räumen und manchmal auch von Burgküchen, wo sich Plastik-Schweine über/vor riesigen Feuerstellen drehen und gewaltige Bierkrüge und -fässer bereit stehen. Wir sehen die Inszenierung eines Gegenentwurfs zur höfisch-bürgerlich zivilisierten Welt, von der Männer (und fast ausnahmslos nur sie) am Ende des 18. Jahrhunderts zu träumen begannen.
Ungefähr zur gleichen Zeit als Adam Smith versuchte, uns die Spielregeln einer modernen offenen Gesellschaft mit liberaler Wirtschaftsordnung zu erklären und dabei das Bild der “unsichtbaren Hand” gebrauchte, sah ein Landsmann von ihm im Traum eine gewaltige gewappnete Hand auf dem obersten Geländer eines Treppenhauses, das zu seinem neugotischen Revival-Anwesens mit dem harmlosen Namen “Strawberry Hill” gehörte. Der Mann war leider nicht nur spleeniger Schlossbesitzer sondern auch Schriftsteller und das Unglück in Form eines bis in die Gegenwart nicht mehr einzufangenen Ritter- und Burgen-Mythen-Wahnsinns nahm seinen Lauf.
Man könnte die Besucher der Burgen (kleine und große) einfach bei ihren Erwartungen und Träumen abholen und sie dazu bringen, diese selbst zu hinterfragen.
Man könnte ihnen eine sehr viel interessantere, vielschichtigere und ebenfalls attraktive Sicht auf Burgenwelt und “Ritter”-Leben bieten. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass dies auch mit einfachen Mitteln (Burg Vischering, Lüdinghausen) oder auch mit einem aufwändigen Neukonzept (Schloss Horst, Gelsenkirchen und vor allem Dover Castle, England) so funktioniert, dass sich gerade Kinder und andere jung Gebliebene gerne faszinieren lassen.
Man müsste einfach mal mit dem Mut des Hl. Georg, des Schutzpatrons der Ritter, den Drachen bezwingen, bzw. sich von den lieb gewordenen aber falschen alten Geschichten und Mythen verabschieden.
Bild: Inszenierung in Dover Castle, Seite aus dem Museumsführer